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Copyright © contrapress media GmbH T901115.223 LAVIE Nr. 3262 Seite 26 vom 15.11.1990 33 Zeilen von TAZ-Bericht stefan gerhard

SCHONWIEDEREINEMUSIK-WARNUNG THE JEREMY DAYS

Wir befinden uns im Jahre 1990. Alle Sender sind gleichgeschaltet. Der Viervierteltakt hat die Weltherrschaft übernommen. Schergen des Gitarrenrock haben alle strategisch wichtigen Begriffe eingenommen: Liebe, Haß, Wut, Agonie. Irgendeine melodische Figur paßt immer, um das Come-Together-Gefühl der Zweidrittel-Gesellschaft zu erzeugen. Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch glückliche Hippies mit Zentralheizung und einem VW Golf mit geregeltem Kat.
Wirklich die ganze Welt? Nein! Ein paar Unentwegte in Süddeutschland leisten Widerstand. »Scheiße aus dem Radio quillt/ Scheiße aus dem Radio quillt/ und Du weißt/ es ist Pop«, beschreibt Bdolf, Sänger der Freiburger Band Fleischlego, die aktuelle Lage der bundesdeutschen Unterhaltungskultur. Für den musikalischen Kompost ist der von Medienkonzernen wie kleinen Plattenfirmen gleichermaßen gehätschelte Mittelstand um handwerklich versierte Bands wie den Hamburger Jeremy Days verantwortlich. Schon angewelkte Versatzstücke von David Bowie, den Beatles und U2 bilden gemeinsam mit atmosphärischen Anleihen aus den vergangenen drei Jahrzehnten den Honigseim, der als akustische Umweltverschmutzung auf allen Kanälen emittiert wird. Hiphop, Psychedelia und Monsterrock der 70er Jahre werden von den Buben um Gitarrist Jörn-Christof Heilbut stilecht nachempfunden - aber nicht erlebt.
Beim wirklich Selbstgemachten - den englischen Texten - wird die Ratlosigkeit der Artisten offenbar: »Sie steigt aus/ an dieser Haltestelle/ ein letzter Blick/ und sagt: du bist alles Glück, das ich fand/ doch jetzt ist mein Glück weg/ ich komme wieder in einer schöneren Zeit«, beschreibt Sänger Dirk Darmstädter in »Sylvia Suddenly« sein eigenes Dilemma. Es sind die Skrupel eines Musikers, der - als Lovesong verbrämt - die musikalische Krise beklagt, die er selbst mit geschaffen hat. »Sylvia, so plötzlich/ wirst du mich beschützen oder nicht?/ hey, böses Kind/ du verlierst dich selbst/ wie das Ende eines Liebeslieds«. Akkordwechsel, Zwischenspiel, nächste Strophe. Der Text ist egal. Hauptsache Wohlfühlen. Das kalte Herz des Hörers wird schon nichts merken. Stefan Gerhard (Voto: Roland Owsnitzki)
UM20UHRIMQUARTIER

Zuletzt verändert: Donnerstag, 26. August 1999 von Axel Krägelius